Ermittlungsverfahren

Der Beschuldigte muss nicht zwangsläufig wissen, dass gegen ihn ermittelt wird. Die Staatsanwaltschaft als Ermittlungsbehörde ist nicht verpflichtet, den Beschuldigten über den Beginn ihrer Ermittlungen zu informieren. Nur die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens wird dem Beschuldigten förmlich bekanntgegeben. In den meisten Fällen ist es jedoch absehbar, dass sich die Polizei mit einer Ladung zur Beschuldigtenvernehmung melden wird. Die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume, die vorläufige Festnahme oder vermögensabschöpfende Maßnahmen treffen den Beschuldigten allerdings unabhängig von der Kenntnis von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen immer überraschend.

Der Verteidiger sollte im Ermittlungsverfahren so früh wie möglich kontaktiert werden. Umfassende Einsicht in die Ermittlungsakte kann nur über den Verteidiger erfolgen. Die Aufklärung über die prozessualen Rechte bereits im Ermittlungsverfahren erhöht die Chancen einer erfolgreichen Verteidigung in der eventuell anschließenden Hauptverhandlung. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob der Beschuldigte von seinem Recht zur Aussagefreiheit Gebrauch machen sollte.

Nach Akteneinsicht können die Stärke des Tatverdachts und die Beweissituation beurteilt werden. Auch die Frage der Verwertbarkeit der vorliegenden Beweismittel spielt bereits in diesem Verfahrensstadium eine große Rolle.

Ziel der Verteidigung im Ermittlungsverfahren ist die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft.

Ergibt sich nach Ausschöpfung aller Ermittlungsansätze auf der Grundlage des verwertbaren Beweismaterials kein Tatverdacht im Sinne einer überwiegenden Verurteilungswahrscheinlichkeit, muss die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts erfolgen.

In geeigneten Fällen lässt sich durch Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld (§ 153 StPO), gegen Geldauflage (§ 153a StPO) oder im Hinblick auf gewichtigere Vorwürfe (§ 154 StPO) erreichen.

Die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens wird nicht in das Bundeszentralregister eingetragen. Sie findet daher auch keinen Eingang in das Führungszeugnis, welches nur einen Ausschnitt aus dem Bundeszentralregister darstellt.

Stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht ein, so beantragt sie je nach Schwere des Vorwurfs und der zu erwartenden Strafe den Erlass eines Strafbefehls oder erhebt Anklage.

Zwischenverfahren

Nach Eingang der Anklage entscheidet das Gericht über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens. Hat die Staatsanwaltschaft den Erlass eines Strafbefehls beantragt, prüft der Strafrichter die Voraussetzungen der Strafbarkeit.

Auch in diesem Verfahrensabschnitt ist eine effektive Verteidigung durch die Anregung der Verfahrenseinstellung, durch Beweisanträge oder durch die Vorbereitung einer Absprache im Strafprozess gefragt.

Hauptverfahren

Nach der Eröffnung des Hauptverfahrens kann es je nach Belastung des zuständigen Richters noch Wochen, Monate oder gar Jahre dauern, bis ein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt wird. Je nach Umfang des Verfahrens können sich an den ersten Termin weitere (Fortsetzungs-)Termine anschließen.

Die Hauptverhandlung stellt für jeden Angeklagten eine erhebliche psychische Belastung dar.

Die prozessualen Möglichkeiten eines Verteidigers in der Hauptverhandlung sind erheblich.

Das Hauptverfahren lebt von der Wehrhaftigkeit des Verteidigers, seinem präsenten Wissen und seiner Erfahrung.

Die strafrechtliche Sanktion kann bei rechtskräftig verurteilten Beamten oder den Trägern freier Berufe wie Ärzten, Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern entscheidend für den Fortbestand der beruflichen Existenz sein. Die Höhe der Strafe beeinflusst den Fortgang und das Ergebnis der parallel eingeleiteten Disziplinarverfahren wie den Fortgang der berufsrechtlichen Verfahren vor den jeweiligen Kammern und Berufsgerichtsbarkeiten.

Rechtsmittelverfahren

Ist das erstinstanzliche Urteil gesprochen, kann sich das Rechtsmittelverfahren in der nächsten Instanz anschließen.

Der Rechtsweg führt bei erstinstanzlichen Urteilen des Amtsgerichts über die Berufung zum Landgericht, von dort über die Revision zum Oberlandesgericht. Es besteht auch die Möglichkeit der sogenannten Sprungrevision direkt zum Oberlandesgericht.

Der Rechtsweg nach einem erstinstanzlichen Urteil des Landgerichts beinhaltet lediglich die Revision zum Bundesgerichtshof. Trotz des Umstandes, dass die erstinstanzlich vor dem Landgericht verhandelten Tatvorwürfe einen höheren Schuldgehalt aufweisen als ein noch vor dem Amtsgericht zu verhandelnder Sachverhalt, ist der ordentliche Rechtsweg für die gemeinhin als schwerer anzusehenden Delikte kürzer.

Nach Abschluss der ersten Instanz berate ich Sie eingehend über die Erfolgsaussichten und die rein tatsächlichen Konsequenzen der Einlegung eines Rechtsmittels. Die Revision gegen Urteile des Landgerichts bedarf dabei einer besonders sorgfältigen Aufarbeitung des Urteils und des Protokolls der Hauptverhandlung.